Jeder will vorne sein – alle streben zum Bühnenrand, werden aber erbarmungslos zurückgehalten. Zwar kommen Stärkere weiter vor, man reißt sie aber auch brutaler zurück: diese ‚Zeitlupenszene‘ war der Einstieg in das Stück „Festhalten und loslassen – retenir et lâcher“ im Bürgerhaus Dudweiler. Es war die diesjährige Premiere des bilingualen Bühnenprojekts der Gemeinschaftsschule Dudweiler und ihrer Partnerschule, dem Collège Jean de la Fontaine in St. Avold. Schülerinnen und Schüler der Klassen 5 bis 9 beider Schulen haben bereits im zweiten Jahr gemeinsam ein Stück erarbeitet, unterstützt von der Scène nationale Le Carreau Forbach (Sarah Bogatay), von ihren Lehrerinnen Dagmar Francois und Bea Schmitt auf deutscher und Nathalie Donati und Aisha Grini auf französischer Seite. Zwei professionelle Schauspieler, Fabio Godinho und Daniel Proia ergänzten das Team.
„Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden“, berichtet Ignaz Jung, einer der Schauspieler aus der 9e, „besonders die Tage in Baerenthal waren super – es hat Spaß gemacht, zusammen so auf ein Ziel hinzuarbeiten.“ Sein Mitschüler Dominik Dusemond ergänzt: „Und wenn man sich mal nicht mit Französisch oder Deutsch verständigen konnte, hat man garantiert einen anderen Weg gefunden!“
Das Stück ist eine Assemblage aus recht unterschiedlichen Elementen: Eine Battle, in der Goethes Zauberlehrling mit einer Fabel von Jean de la Fontaine ‚gerippt‘ wurde, oder die Geschichte von Thomas Hawk auf den Spuren seines toten Vaters zwischen Realität und Traum, oder die Szene des blutgierigen roi ubu, der alle Adeligen „enthirnen“ lässt. Beim „Zapping“ am Ende verbinden sich alle Szenen, und wir Zuschauer müssen die Idee loslassen, dass wir alles mit der Fernbedienung kontrollieren können. Das Endtableau, das im Kontrast zur ersten Szene steht, zeigt, wie die Menschen zusammenarbeiten und so vorankommen – sie halten einander zwar auch fest, dieses Mal aber im positiven Sinne.
Bea Schmitt, eine der Dudweiler Lehrerinnen im Team, erklärt: „Die Schauspieler haben das Bühnenprogramm in Teamarbeit erstellt – dabei war die professionelle Unterstützung von Fabio Godinho und Daniel Proia unerlässlich.“ Die einzelnen Szenen seien teilweise professionelle Theaterstücke von französischen Autoren, zum Beispiel Thomas Hawk von Karine Serres und ubu roi von Alfred Jarry, teilweise von Schülern selbst geschriebene Szenen oder weiterentwickelte Impro-Übungen. Das ganze Schuljahr über fanden wöchentliche Theater-Ateliers in den beiden Schulen statt, in denen die Lehrkräfte mit verschiedenen Übungen zu Rhythmus, Lautstärke, Körpersprache und Raumverständnis ins Theaterwesen einführten. Dazu kamen jeweils dreistündige „Powersequenzen“ mit den Profi-Schauspielern, Workshopnachmittage mit beiden Partnerschulen im Carreau in Forbach, gemeinsame Theaterbesuche und drei Tage mit allen Akteuren im Schullandheim Baerenthal in den Vogesen. „Wir freuen uns schon auf die Fortsetzung im nächsten Jahr und die Premiere 2019!“, sagt Bea Schmitts Kollegin Dagmar François.
Die deutsch-französische Theatertruppe wird mit „Festhalten und Loslassen – retenir et lâcher“ noch dreimal zusammen auftreten: am 30. Mai in der Scène national de Forbach (Carreau) und am 4. und 5. Juni im Centre Culturel Pierre Messmer in Saint-Avold.